In kurzer Folge, in den Nächten vom 19. auf den 20. und dem 21. Auf den 22. Mai 2014, kamen im Tier-Freigelände Nationalparkzentrum Lusen des Nationalparks Bayerischer Wald erstmals zwei Elchkälber zur Welt. Zuchterfolge mit Elchen in Gefangenschaft sind nicht selbstverständlich, da Elche als komplizierte Nahrungsspezialisten generell schwer zu halten und daher oft nicht in ausreichend guter Verfassung sind, um sich fortzupflanzen. Die Eltern der beiden Jungtiere, der vierjährige Elchbulle Putte und die beiden ebenfalls vier Jahre alten Elchkühe Gunel und Lillemoor, stammen aus Schweden und leben seit knapp zweieinhalb Jahren im Tier-Freigelände des Nationalparks. Das Geschlecht der beiden Elchkälber ist noch unbekannt.
„Wir freuen uns riesig über den Nachwuchs bei unseren Elchen“, kommentierte Nationalparkleiter Dr. Franz Leibl den jüngsten Zuchterfolg im Tier-Freigelände Lusen. „Dass gleich beide Elchkühe Nachwuchs bekommen haben, ist ein Zeichen, dass wir mit unserer Elchhaltung auf einem guten Weg sind. Außerdem freuen wir uns für unsere Besucher, für die Jungtiere seltener Wildtierarten immer eine besondere Attraktion sind“, so Leibl weiter.
Mit etwas Glück können Besucher die beiden Elchkälber ab sofort im Gehege beobachten, da sie bereits unmittelbar nach der Geburt aufstehen und ihren Müttern folgen. „Manchmal legen die Mütter ihre Jungtiere auch versteckt in der Vegetation ab; dann sind sie etwas schwerer zu finden“, so Dr. Dennis Müller, Tierarzt und Leiter der Tier-Freigelände des Nationalparks. „Aber unsere Elchkuh Lillemoor, die erst vorgestern Nacht Mutter wurde, scheint da offensichtlich ganz entspannt zu sein: Im Moment hat sie ihr Kalb keine 10 Meter vom Zaun abgelegt und lässt sich auch nicht von den Besuchern stören, die ihren Nachwuchs bewundern.“
Das Gehege betreten derzeit jedoch weder Tierarzt noch Tierpfleger, um die beiden Muttertiere und ihre Neugeborenen nicht zu stören. „Elchmütter können sehr aggressiv werden. Mit einer Untersuchung und der Geschlechtsbestimmung der beiden Jungtiere müssen wir uns also noch ein wenig gedulden“, so Müller. Die Kälber bleiben in der Regel bis zur Geburt der Geschwister im nächsten Jahr bei ihren Müttern. „Wenn es bei unseren Kälbern soweit ist, werden wir sie in andere passende Elchhaltungen vermitteln; wir sind zuversichtlich, dass das klappt“, bekräftigt Müller.
Im Gegensatz Hirschen werden Elche selten in Tiergärten und Wildgehegen gezeigt. Ein wichtiger Grund hierfür ist vor allem die schwierige artgerechte Fütterung. Als sogenannte Laubäser ernähren sich Elche hauptsächlich von Zweigen, Blättern, Nadeln, Knospen und Rinde. Im Sommer können Wasserpflanzen einen wesentlichen Anteil der Nahrung ausmachen. Aufgrund seiner gewaltigen Körpergröße – erwachsene europäische Elche wiegen zwischen 300 und 400 Kilo – braucht ein Elch enorme Mengen dieser Nahrung; im Sommer können das bis zu 50 Kilo am Tag werden. Heu oder andere Ersatzfutterstoffe, wie sie an andere pflanzenfresse Gehegetiere verfüttert werden können, kommen für den Elch nicht in Frage, da eine solche Fehlernährung oft zu Darmerkrankungen und Unterernährung bis zum Verhungern führt.
„Solche Mengen Elch-taugliches Futter zur Verfügung zu stellen, ist eine echte Herausforderung, besonders im Winter, wo pro Elch mindestens 10 Kilo am Tag gebraucht werden. Obwohl unser Gehege mit 3,5 Hektar großzügig bemessen ist und die Elche auch dort schon einiges an geeignetem Futter finden, reicht das natürlich bei weitem nicht aus“, erläutert Tierarzt Müller. Gelöst wird das Problem im Tier-Freigelände, indem alles an geeignetem Schnittholz, wie es beispielsweise beim Wegeunterhalt im Nationalpark anfällt, als Elchfutter gesammelt wird. Auch benachbarte Waldbesitzer steuern geeignetes Material bei, so dass bei einem so großen Gebiet genügend Nahrung für die drei Gehege-Elche zusammen kommt. „Mit dieser Vorgehensweise haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Unsere Elche stehen gut im Futter und sind auch sonst gut in Form, was sich daran zeigt, dass sie bislang noch nicht ernsthaft erkrankt sind. Für unsere beiden Elchkälber bedeutet dies, dass wir von einer angemessenen Milchversorgung ausgehen können, Grundvoraussetzung für eine gesunde und robuste Entwicklung“, erklärt Müller.
Ob es im Nationalpark Bayerischer Wald in absehbarer Zeit auch Elchgeburten in freier Wildbahn geben wird, bleibt abzuwarten. Durchziehende Elche werden in der Region seit Jahren regelmäßig gemeldet, zuletzt vor rund einem Monat bei Finsterau im Landkreis Freyung-Grafenau. „Als typischer Bewohner großer, ungestörter Waldgebiete mit kaltgemäßigtem, schneereichem Klima würden Elche schon sehr gut in den Bayerischen Wald und in den Nationalpark passen“, sagt Dennis Müller, der sich in seiner Doktorarbeit auch mit der Ökologie der imposanten Geweihträger befasst hat. Nur 50 Kilometer entfernt, am Moldaustausee, gibt es eine stabile Population, die sich auch fortpflanzt. „Für einen Elch ist das keine Entfernung und Jungelche sind immer auf der Suche nach neuen Revieren“, meint Müller. Der Nationalpark sei insofern auch sehr gut geeignet, als die Windwurf- und Borkenkäferflächen mit wichtigen Futterpflanzen wie Weide, Birke und Brombeere ideale Einstände für Elche darstellten. Darüber hinaus schaffe der Biber durch das Aufstauen von Fließgewässern derzeit weitere besonders für Elche geeignete Lebensräume, so Müller weiter. „Wenn der Elch kommt um zu bleiben, wäre er sicher eine spannende Bereicherung für den Nationalpark – und wir im Tier-Freigelände könnten ihn dann als heimische und nicht – wie bisher – als in unserer Region ausgestorbene Tierart präsentieren“, so Müller abschließend.
Wanderelche aus Polen und der Tschechischen Republik zeigen sich in den letzten Jahren vermehrt in Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern, so dass Deutschland vom World Wildlife Fund WWF im vergangenen Jahr offiziell zum „Elch-Einwanderungsland“ erklärt wurde. In Brandenburg und Sachsen haben sich bereits kleine sesshafte Populationen etabliert. Elche unterliegen dem Bundesjagdgesetz und sind ganzjährig geschont.