Wolfaustreiben 2005
Dicht säumten die 750 Zuschauer am Samstag den Stadtplatz, um beim traditionellen Freyunger Wolfaustreiben dabei zu sein.Es war wieder ein Brauchtum, das die »Wolfaustreiber« unter Josef Geis, der Historische Verein »in der Freyung« und die Stadt Freyung als Veranstalter in Szene setzten.
Feuer lodern auf dem Stadtplatz, tauchen ihn in flackerndes Licht. Ein bisserl düster, ein bisserl umtriebig muss ja das Wolfauslassen sein. Man stärkt sich an den Ständen mit Glühwein, um für das Spektakel gewappnet zu sein.
Doch drinnen im Bräustüberl, da fallen unbemerkt die Waldkirchner Raunachtler ein. Der Kössl Karl wird eines der Opfer und auch Kreisheimatpfleger Hanns Gruber bekommt »sein Fett« ab. Aber der Hanns ist ja selbst ein Verfechter alten Brauchtums und so freut er sich mächtig über den Einstand der Raunachtler.
Draußen wird es »ernst«. Flöten erklingen, die Kreismusikschule leitet das Wolfaustreiben musikalisch ein. Die Marktwächter ziehen mit Seilen ein Geviert, denn nun nimmt das große Wolfaustreiben oder Wolfauslassen, wie es auch genannt wird, seinen Lauf.
Die Goaßlschnalzer ziehen auf den Stadtplatz ein, lassen ihre Peitschen knallen. Die Peitschen sind ein Kunstwerk für sich. An einem etwa einen halben Meter langen Stecken ist ein Strick befestigt, der bis zu fünfeinhalb Meter lang ist. Er wird bis zur Spitze zunehmend dünner. Am Ende ist ein »Vorhauer« von einem Meter Länge angeknüpft, und daran ist ein etwa zehn Zentimeter langes »Schnürl« angebracht, das beim Schnalzen einen schussähnlichen Knall erzeugt. So hallt es im Takt über den Stadtplatz, denn die peitschenschwingenden Freyunger Droscherer verstehen ihr Handwerk.
Michael »Sem« Sellner, Vorsitzender des Historischen Vereins »In der Freyung«, erzählt aus der Geschichte des Wolfaustreibens. »Es is wieda soweit, iatzt kimmt da Hirt mit der Girt in d'Freing«. Draußen auf den Waldweiden habe der Hirt, der auch Viehdoktor und meist Kräuterkundler war, ab dem Frühjahr das Vieh gehütet. Im Herbst wurde das Vieh wieder in den Stall zurückgebracht und der Hirt forderte seinen Lohn ein mit dem Scheppern von Kuhglocken.
Trommler der Musikwerkstatt versetzen den Stadtplatz in Schwingungen und das ist zugleich der Auftakt für den wilden Umtrieb der Waldkirchner Raunachtler. Sie stürmen heran mit ihren schaurigen Fratzen, lehren das Publikum das Fürchten. So wie es sich dem Wolfaustreiben eben geziemt.
Wolfsgeheul ertönt, der Knall der Goaßl'n peitscht durch die Nacht. Und dann hört man sie grollen, die Freyunger Wolfaustreiber. Von der Langgasse kommend ziehen sie in den Stadtplatz ein. Vorndran der »Hirt mit der Girt«, der »Oberwolferer« Josef Geis mit schwarzem Gesicht und in einen Fellmantel gehüllt. Er schwingt die kunstvoll mit Wacholderzweigen verzierte Gerte, die »Mirthagsgirt«, mit der er die Glockenträger eifrig dirigiert. Denn auch in alter Zeit zog jeder Hirte sein besseres Gewand an und begab sich, ausgerüstet mit Sack und Kirm, zu den Bauern, um den Jahreslohn einzufordern.
Dann strebt das Wolfaustreiben seinem Höhepunkt zu. »Buama, seid's oisamt do?» - »Jo!« - »Geht koana mehr o?« - »Na!« - »Buama, riegelt's enk!« Nach dieser Aufforderung von Josef Geis setzt augenblicklich das dröhnende Geläute der Kuhglocken ein. Und sofort beginnen die Männer, Buben und Mädchen mit ruckartigen Hüftbewegungen die auf den Oberschenkeln aufliegenden Schellen im Rhythmus auf und ab wippen zu lassen, bis der infernalische Lärm den Boden vibrieren lässt.
Kreistänze führen die Wolferer auf, Spiraltänze. Ein Ritual, das in den Bann zieht. Und dann wird der verdiente Lohn eingefordert von Geschäften am Stadtplatz. Bereitwillig wird etwas Essbares ausgeteilt und die Wolferer ziehen sich zufrieden und mit viel Applaus begleitet, wieder zurück.
Zum großen Finale finden sich alle Mitwirkenden wieder am Marienbrunnen ein. Das Brauchtumsspektakel hat sein Ende, der Wolf ist ausgetrieben und mit ihm die Dämonen. Freyung kann sich beruhigt in den Winter zurücklehnen.
von Norbert Peter